Die Übersetzung der Heiligen Schrift durch Martin Luther und spätere, ehrlich gemeinte und wissenschaftlich fundierte Verbesserungen waren immer wieder ein Thema für hitzige Diskussionen. So berichtet eine (bereits àltere) Anekdote über einen Pfarrer im Baltikum, der sich im Freundeskreis über die Ergebnisse der historischen Forschung an der Bibel ausliess:  » … Nun haben wir hier eine schöne Übersetzung von Martin Luther, in der lesen wir den Beginn von Psalm 43 so: Wie der Hirsch schreyet nach frischem Wasser, so dürstet meine Seele nach dir, o Gott. »

Ein schöner Satz mit Rhythmus, in Europa für alle verständlich und nachvollziehbar. Nun kommt die neuere Forschung und erklärt uns, im Wortsinne handele es sich keineswegs um einen Hirschen, handele, sondern es sei vielmehr ein Klippschliefer gemeint, wie er in den ariden Klimaver- hältnissen des Orients häufig anzutreffen sei. Er schreie auch nicht, sondern es sei eher ein hohes Fiepen, das er von sich gibt. Ebenso sei es mit dem Wort `dürsten´ strenggenommen eher das Hecheln eines Tieres bei Trockenheit bezeichnet. Schliesslich müsse man getreu dem Wortsinn hier anstatt an `frischem Wasser´ eher an denaturiertes Naphta denken, wie es in den felsigen Gegenden Judaeas vermengt mit Wasser oft vorkomme. Die Seele sei im hebräischen Original doch nephesch, also Kehle oder Schlund. Nun heisst das also zusammengenommen, dass wir durch Mithilfe der Wissenschaft zu folgender Übersetzung gelangen:

« Wie der Klippschliefer nach denaturiertem Naphta fiept, so hechelt mein Schlund nach dir, o Gott. »

Daraufhin nahm der Pfarrer einen tiefen Zug aus seinem Weinglas und schloss an: « Wie, meint Ihr nun, soll ich das am Sonntag meiner Gemeinde klar machen? ».

Das Ganze zeigt, dass Kommunikation, besonders über Kultur- und Sprachgrenzen hinweg, fast einem (Pfingst-)Wunder gleicht!. Wir Übersetzerinnen und Übersetzer  freuen (und staunen manchmal) darüber, dass wichtige Inhalte über die Grenzen von Zeit, Sprache und Raum lebendig und wirksam bleiben und immer neue Formen finden, manchmal ernsthaft und manchmal lustig.